Samstag, 17 Mai 2025 09:05

Nürnbergs Brunnen als Klangquellen entdecken

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Nürnberg überrascht mit einer besonderen kulturellen Facette. Inmitten von Gassen, Türmen und mittelalterlichem Flair verbirgt sich ein akustisches Geheimnis. Die historischen Brunnen der Stadt werden zunehmend nicht nur als kunstvolle Denkmäler, sondern als Instrumente des urbanen Klangs betrachtet. Künstler, Musiker und Klangforscher verwandeln sie in lebendige Soundquellen. Die Stadt selbst wird zur Bühne eines besonderen Hör-Erlebnisses.

Die Idee, Brunnenklänge künstlerisch zu nutzen, ist nicht neu, gewinnt aber in Nürnberg eine besondere Dynamik. Zwischen Altstadt und Kunstszene entsteht ein neuer Zugang zur Stadtwahrnehmung – mit dem Ohr statt nur mit dem Auge.

Historische Brunnen neu gehört

Nürnberg ist reich an historischen Brunnen, die längst zum Stadtbild gehören. Viele davon stammen aus dem 16. oder 17. Jahrhundert und tragen kunstvolle Bildnisse, symbolische Figuren und vergoldete Details. Doch was viele Besucher übersehen: Diese Brunnen erzeugen eigene Klänge – sei es durch plätscherndes Wasser, Resonanzräume aus Stein oder Interaktionen mit der Umgebung.

Besonders markant sind:

  • Schöner Brunnen am Hauptmarkt: bekannt für seine filigrane gotische Architektur und das leise Echo in seinem Inneren

  • Gänsemännchenbrunnen am Lorenzer Platz: Das glucksende Wasser klingt wie rhythmisches Atmen

  • Tugendbrunnen nahe der Frauenkirche: erzeugt durch seine mehreren Becken ein flächiges Rauschen

In den letzten Jahren begannen Klangkünstler, diese natürlichen Geräusche zu analysieren und aufzunehmen. Ihre Hypothese: Jeder Brunnen besitzt ein eigenes „akustisches Profil“. Manche Töne sind nur durch spezielle Mikrofone hörbar, andere treten in Kombination mit Wetter oder Tageszeit deutlicher hervor. Es entstand eine kleine Szene, die diese Quellen in Musikprojekte einbindet.

Künstlerische Klangprojekte

Mitten in der Altstadt erklingen nun regelmäßig ungewöhnliche Soundperformances. Künstler wie das Kollektiv Trio Ex Aequo nutzen historische Brunnen als Musikinstrumente. Ihre Arbeit ist auf https://trioexaequo.de/ dokumentiert. Das Trio verbindet Wasserklänge mit elektronischer Musik, klassischen Instrumenten und Feldaufnahmen.

Ein Projekt, das Aufmerksamkeit erregte, war „Hörbrunnen 2024“. Es verwandelte den Tiergärtnertorplatz in eine Klanglandschaft. Mikrofone wurden unter Wasser angebracht, Lautsprecher spielten die live verstärkten Töne synchron mit improvisierter Musik. Besucher konnten über Kopfhörer in die Tiefe des Brunnens „hineinhören“.

Die Hochschule für Musik Nürnberg beteiligt sich inzwischen ebenfalls an der Erforschung der Stadtklänge. In Seminaren und Workshops lernen Studierende, wie sich Architektur, Wasser und Klang beeinflussen. Auch Schulen machen mit: Kinder nehmen Brunnen auf und komponieren daraus kleine Soundgeschichten.

Die künstlerische Leitung solcher Projekte betont, dass die Brunnen keine Bühne brauchen – sie sind die Bühne. Anders als in einem Konzertsaal verändert sich die Musik ständig. Wind, Temperatur, Bewegung der Menschen – alles fließt in das Hörerlebnis ein.

Eine Klanginstallation am Hans-Sachs-Brunnen zeigte, wie lebendig dieser Ansatz sein kann. Unter dem Titel „Resonanzkörper Stadt“ kombinierten Musiker live eingespielte Cellotöne mit dem rhythmischen Tropfen der Wasseranlage. Das Ergebnis war keine klassische Komposition, sondern ein Dialog zwischen Mensch und Material.

Neue Perspektive auf den Stadtraum

Was bedeutet dieser Trend für Nürnbergs Kulturszene? Zunächst einmal ein Perspektivwechsel. Brunnen werden nicht mehr nur restauriert und bewundert, sondern aktiv „bespielt“. Sie eröffnen neue Wege für den Tourismus, für Klangpädagogik, für Performancekunst.

Stadtführungen nehmen das Thema zunehmend auf. Spezielle „Klangrouten“ sind in Arbeit. Sie verbinden Sehenswürdigkeiten mit akustischen Stationen, an denen Besucher durch mobile Apps mehr erfahren. Der Tourismusverband der Stadt arbeitet mit Künstlerkollektiven zusammen, um diese Angebote auszubauen.

Auch auf https://trioexaequo.de/culture gibt es erste Konzepte für Klangrouten, die Nürnberg nicht nur zeigen, sondern hörbar machen.

Besonders spannend ist, wie diese Idee das Selbstbild der Stadt verändert. Nürnberg positioniert sich zunehmend als Ort für Klangforschung, Sounddesign und akustische Bildung. In Zusammenarbeit mit dem Museum Industriekultur und der Kunsthalle Nürnberg sollen weitere Projekte entstehen, die das Thema vertiefen. Die Planung reicht von temporären Klangskulpturen bis hin zu dauerhaft installierten Hörpunkten im öffentlichen Raum.

Ein weiteres Ziel: die Entwicklung einer „Soundmap“ Nürnbergs. Sie soll digitale Audiopunkte mit historischen Daten, Musikerkommentaren und architektonischem Kontext verbinden. Ein Prototyp ist bereits in Entwicklung.

Wer Nürnberg besucht, sollte nicht nur hinsehen – sondern hinhören. Inmitten der engen Gassen, zwischen gotischen Fassaden und barocken Plätzen, entsteht eine akustische Erzählung. Sie ist leise, vielschichtig, poetisch. Die Brunnen der Stadt sprechen – wenn man ihnen zuhört.

Diese neue Form der Stadterfahrung verbindet Kultur, Technik und Geschichte auf eine besonders sinnliche Weise. Und sie zeigt, dass selbst jahrhundertealte Elemente im Stadtbild noch völlig neue Rollen spielen können. Nürnberg bleibt in Bewegung – auch im Klang.